Zyklusbasiertes Training 2025: Aktueller Stand der Forschung und Anwendung für TrainerInnen

Die Idee, dass Training für Frauen nach dem Zyklus strukturiert werden sollte, ist seit einigen Jahren ein aufsteigender Trend. In diesem Artikel beleuchten wir, was zyklusbasiertes Training ist und wie viel Wissenschaft wirklich dahinter steckt. Spoiler: so viel Forschung in diesem Bereich gibt es nämlich gar nicht.

Disclaimer: Dieser Beitrag wurde 2025 verfasst und bildet den aktuellen Stand der Forschung ab. Weitere Studienergebnisse zu diesem Thema könnten das Fazit verändern.

Übersicht

1. Vorwort: Die Gender Research Gap

In der Vergangenheit war das Interesse an Forschung speziell an Frauen vergleichsweise gering. Der aktuelle Stand der Forschung spiegelt somit eine erhebliche Vernachlässigung der spezifischen Bedürfnisse von Frauen wider. Über Jahre hinweg basierten Trainingsansätze für Frauen häufig auf Empfehlungen, die ursprünglich für Männer entwickelt wurden. Dies resultiert aus einer anhaltenden Lücke in der sportwissenschaftlichen Forschung: Frauen wurden in vielen Bereichen systematisch ausgeschlossen [1]. Ein wesentlicher Faktor hierfür ist die Herausforderung, die hormonelle Schwankungen des Menstruationszyklus im Forschungsdesign zu integrieren. Die unterschiedlichen Konzentrationen von Östrogen und Progesteron im Verlauf des Zyklus erschweren eine präzise Berücksichtigung dieser physiologischen Veränderungen in wissenschaftlichen Studien [2]. Trotzdem- oder gerade deshalb fragen wir uns: Inwiefern beeinflusst der Menstruationszyklus das Training??

2. Was ist zyklusbasiertes Training?

Zyklusbasiertes Training ist ein Konzept, das sich auf die periodische Anpassung von Trainingsintensität und -volumen konzentriert, um die hormonelle Dynamik des Menstruationszyklus zu berücksichtigen.

Grundlegende Empfehlungen hierfür gibt es noch nicht. AkteurInnen der Fitness Branche interpretieren die Bedürfnisse und Herausforderungen von Frauen unterschiedlich: Die einen sagen, Frauen sollten während ihrer Periode gar kein Training absolvieren, die anderen sehen diese Phase als eine der leistungsstärksten Phasen im Zyklus. In Summe geht der Trend aber in diese Richtung: Nach dem Eisprung – während der Lutealphase- sollte eine Anpassung im Training erfolgen und auf Regeneration oder niederschwellige, umfangreiche Trainingsreize gesetzt werden. Neben der Verbesserung der physischen Leistungsfähigkeit scheint zyklusbasiertes Training auch psychologische Vorteile zu bieten, wie die Förderung von Motivation und Einstellungsfaktoren zum Training. Harte Einheiten sollen eben genau dann absolviert werden, wenn die zyklusbezogenen Voraussetzungen erfolgsversprechend sind. Dabei profitieren nicht nur Profisportlerinnen, sondern auch Freizeitsportlerinnen, die ihre Fitness nachhaltig verbessern möchten.

3. Anekdotische vs. Wissenschaftliche Evidenz

Bevor wir einen Blick auf die aktuelle Studienlage werfen, müssen wir ganz kurz den aktuellen Status Quo anreißen, denn: Forschung folgt immer Erfahrung. Wissenschaftliche Evidenz basiert auf systematischen Untersuchungen, kontrollierten Experimenten und statistischen Analysen, die darauf abzielen, objektive und reproduzierbare Ergebnisse zu liefern. Dieser Prozess benötigt Zeit und Geld.

Um jedoch an den Punkt zu kommen, dass Forschung überhaupt finanziert und durchgeführt wird, benötigen wir das allgemeine gesellschaftliche Interesse an dem Thema – und da wären wir bei der anekdotischen Evidenz. Diese beruht auf persönlichen Erfahrungen, Erzählungen oder Einzelfällen, wobei Menschen von ihren individuellen Erlebnissen berichten und daraus Schlussfolgerungen ziehen.

Für zyklusbasiertes Training ist Laura Philipp ein sehr prominentes Beispiel. Sie trainiert nach ihrer hormonellen Dynamik und ist aktuell amtierende Ironman-Weltmeisterin sowie Deutsche Meisterin auf der Triathlon-Mitteldistanz (Stand März 2025). Auch die Frauenfußballmannschaft der FC Chelsea haben sich an einem zyklusbasierten Konzept ausprobiert: die Managerin Emma Hayes verkündete 2020, dass die Sportlerinnen mittels Zyklusapp das Training anpassen, um Verletzungen vorzubeugen und Übertraining zu vermeiden.

Die Frage aller Fragen, die wir uns also stellen ist folgende: was sagt die Studienlage dazu? In vielen Fällen – offensichtlich auch im Leistungssport- scheint ein zyklusbezogener Approach an das Training sehr erfolgreich zu sein!

4. Der Einfluss des Zyklus auf das Training

4.1 Zyklus und Leistung

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Zyklus und der Leistung? Die kurze und knappe Antwort lautet: Nein. Trotzdem gibt es ein paar Aspekte, welche in dieser Fragestellung nicht zu vernachlässigen sind: Aus rein anekdotischer Evidenz, also erfahrungsbasierten Aussagen, scheint die Performance von Frauen besonders in der späten Lutealphase vermindert zu sein [3]. Die primären Gründe dafür sind: Müdigkeit, Fatigue, PMS, Schmerzen und Lethargie.

Allerdings gibt es ein Problem: In Untersuchungen wird oft nicht zwischen einem „gesunden“ und einem „gestörten“ Menstruationszyklus unterschieden. Da fast 70 % der Frauen mindestens einmal im Leben von PMS betroffen sind, bleibt unklar, ob eine verminderte Leistungsfähigkeit direkt mit dem Zyklus oder eher mit PMS zusammenhängt.

Wissenschaftlich gesicherte Aussagen dazu gibt es bisher nicht. Lediglich ein wichtiger Hinweis lässt sich festhalten: Die Leistungsfähigkeit von Frauen korreliert stark mit ihrem allgemeinen Wohlbefinden [4]. Dam et al. zeigen zudem, dass Faktoren wie Motivation, Selbstwahrnehmung, Selbsteinschätzung der körperlichen Verfassung und das Erregungsniveau (Level of Arousal) einen Einfluss auf die Trainingsleistung haben. Besonders entscheidend ist dabei das Level of Arousal, da es in direktem Zusammenhang mit der Motivation steht. Das bedeutet: Unabhängig vom Zyklus bleibt eine hohe Motivation der beste Garant für ein erfolgreiches Training – ein Punkt, den wir uns für später merken.

4.2 Zyklus und Kraft

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Zyklus und der Kraft im Training? Auch hier lautet die Antwort: Nein, es gibt keinen Zusammenhang [5]. Auch wenn manche interindividuellen Fälle von diesen Studienergebnissen abweichen und manche Frauen tatsächlich schlechtere Kraftwerte in der Lutealphase aufbringen, ist das in Hinblick auf die gesamte Studienlage zu diesem Thema noch nicht haltbar [6] [7] [8].

Kernfragen, welche geklärt werden müssen, sind:

  • Inwiefern spielt Selbstbewusstsein und Wellbeing eine Rolle und sind sie zyklusabhängig?
  • Bestimmt die zyklische hormonelle Dynamik die Motivation & das Level of Arousal?
  • Gibt es andere Faktoren, welche zyklusabhängig die Leistungsbereitschaft steigern (Testosteron + Aggression, Kohlenhydratverfügbarkeit, Schlaf)
  • Ist es möglich, dass Probandinnen ihre Leistung antizipieren?
  • Spielen Faktoren wie Zyklusstörungen (PMS) eine Rolle?

Diverse Studien, die einen Vergleich zwischen Follikelphasen-basiertem Krafttraining zu Lutealphase-basiertem Krafttraining gezogen haben, konnten feststellen, dass der Kraftzuwachs und das Muskelwachstum größer waren, wenn die Probandinnen das Training in der ersten Zyklusphase betont haben. Diese Ergebnisse suggerieren, dass Krafttraining in der Follikelphase einen größeren Effekt haben könnte als in der Lutealphase [9] [10] [11]. Mit größeren Studiensamples könnte diese Annahme bestätigt und weiter ausgeführt werden – bis dato ist die Studienlage jedoch sehr dünn.

4.3 Zyklus und Regeneration

Last but not least, die Regeneration. Diese beschreibt in sportwissenschaftlichem Kontext die komplexen physiologischen und biochemischen Prozesse, welche nach einer Belastung zur Wiederherstellung der Homöostase und Superkompensation führen. Ein oft diskutierter Aspekt im Zusammenhang mit Krafttraining und dem weiblichen Zyklus ist die Annahme, dass Frauen in der Lutealphase schlechter regenerieren. Zwar ist bekannt, dass Östrogen eine positive Wirkung auf Muskelwachstum und Regeneration hat, doch daraus lässt sich nicht automatisch ableiten, dass das Training in der Lutealphase weniger effektiv ist. Einzelne Studien deuten zwar auf eine möglicherweise verminderte Regenerationsfähigkeit in dieser Phase hin [12] , doch die Datenlage ist insgesamt unzureichend, um daraus allgemeingültige Schlüsse zu ziehen.

5. Zyklusbasiertes Training: aktuelle Empfehlungen

5.1 Anwendung für Coaches

Die meisten zyklusbasierten Trainingsempfehlungen, welche wir in sozialen Medien zu sehen bekommen sind nicht wissenschaftlich basiert und können ihre Versprechungen leider nicht halten: Bessere Performance? Weniger Training mit besseren Ergebnissen? Der Schlüssel liegt in der Individualität.

Die Integration von zyklusbasiertem Training in den Alltag erfordert eine strukturierte Herangehensweise, die sich immer an individuellen Zielen orientiert und viel Dokumentationsbedarf mit sich bringt. Zunächst ist es wichtig, den eigenen Menstruationszyklus zu analysieren – meist ist das schon die erste Fehlerquelle. Ist der Zyklus gesund? Wo besteht Optimierungsbedarf? Welche Maßnahmen sind notwendig, um die hormonelle Dynamik zu verbessern? Danach gilt es, die verschiedenen Schwerpunkte zu definieren, wie beispielsweise Belastungs- und Erholungsphasen.

Ein interindividueller Approach ist aus wissenschaftlicher Sicht empfehlenswert [1] – das bedeutet, dass die hormonelle Dynamik von Sportlerinnen stets gemonitored und berücksichtigt werden sollte, um pauschale „Standart-Herangehensweisen“ zu vermeiden.

5.2 Trainingslehre richtig umsetzen

Das Know-How rund um die sportwissenschaftliche Trainingslehre ist hier das A und O. Wer sich mit der Theorie zu evidenzbasierten Trainingsmethoden nicht auskennt, sollte am besten die Finger von zyklusbasiertem Training lassen- die Gefahr, nicht progressiv zu arbeiten oder die Intensität und das Volumen ungünstig zu verteilen ist zu groß.

In meiner kostenlosen Masterclass lernst du, welche Aspekte dein zyklusbasiertes Trainingskonzept erfüllen muss, um effektive Reize zu setzen:

Hole dir Klarheit und wissenschaftlich fundiertes Wissen

Vermeide Trainingsfehler, die auf Hypes und Halbwahrheiten basieren

Wende die evidenzbasierten Trainingsprinzipien in deinem Training an

Nutze dein volles Potenzial – mit oder ohne Zyklusbasiertem Training

6. Fazit

Die Idee des zyklusbasierten Trainings klingt vielversprechend: Die systematische Variation von Trainingsintensität und -volumen gemäß der hormonellen Dynamik von Frauen soll sinnvolle Reize setzen und eine optimale Trainingsadaptation gewähren. Studien suggerieren, dass durch zyklische Veränderungen im Training unterschiedliche Outcomes erwartet werden können. Inwiefern diese zu Gunsten der optimalen Trainingsadaptation ausfällt, ist fragwürdig.

Die Zukunft wird zeigen, wie viel Für Athletinnen, die auf Spitzenleistungen abzielen, kann zyklusbasiertes Training recht interessant sein. Aber auch Freizeitsportlerinnen berichten Positives: aus Erfahrungsberichten geht hervor, dass eine zyklische Anpassung dem Wohlbefinden im Zyklus sehr dienlich ist. ExpertInnen betonen allerdings, dass die Anpassungen an individuelle Bedürfnisse und Ziele [1] maßgeblich für den Erfolg sind: Eine fundierte Herangehensweise und die richtige Planung sind unerlässlich, um das volle Potenzial des zyklusbasierten Trainings auszuschöpfen.

[1] Cowley, E. S., Olenick, A. A., McNulty, K. L. & Ross, E. Z. (2021). “Invisible Sportswomen”: The Sex Data Gap in Sport and Exercise Science Research. Women in Sport And Physical Activity Journal, 29(2), 146–151. https://doi.org/10.1123/wspaj.2021-0028

[2] Stachenfeld, N. S. (2018). Including women in research. It’s necessary, and really not so hard to do. Experimental Physiology, 103(10), 1296–1297. https://doi.org/10.1113/ep087261

[3] Carmichael, M. A., Thomson, R. L., Moran, L. J. & Wycherley, T. P. (2021). The Impact of Menstrual Cycle Phase on Athletes’ Performance: A Narrative Review. International Journal Of Environmental Research And Public Health, 18(4), 1667. https://doi.org/10.3390/ijerph18041667

[4] Dam, T. V., Dalgaard, L. B., Sevdalis, V., Bibby, B. M., De Jonge, X. J., Gravholt, C. H. & Hansen, M. (2022). Muscle Performance during the Menstrual Cycle Correlates with Psychological Well-Being, but Not Fluctuations in Sex Hormones. Medicine & Science in Sports & Exercise, 54(10), 1678–1689. https://doi.org/10.1249/mss.0000000000002961

[5] Blagrove, R. C., Bruinvels, G. & Pedlar, C. R. (2020). Variations in strength-related measures during the menstrual cycle in eumenorrheic women: A systematic review and meta-analysis. Journal Of Science And Medicine in Sport, 23(12), 1220–1227. https://doi.org/10.1016/j.jsams.2020.04.022

[6] Abt, J. P., Sell, T. C., Laudner, K. G., McCrory, J. L., Loucks, T. L., Berga, S. L. & Lephart, S. M. (2007). Neuromuscular and biomechanical characteristics do not vary across the menstrual cycle. Knee Surgery Sports Traumatology Arthroscopy, 15(7), 901–907. https://doi.org/10.1007/s00167-007-0302-3

[7] Birch, K. & Reilly, T. (2002). The diurnal rhythm in isometric muscular performance differs with eumenorrheic menstrual cycle phase. Chronobiology International, 19(4), 731–742. https://doi.org/10.1081/cbi-120006083

[8] De Jonge, X. A. K. J. (2003). Effects of the Menstrual Cycle on Exercise Performance. Sports Medicine, 33(11), 833–851. https://doi.org/10.2165/00007256-200333110-00004

[9] Reis, E., Frick, U. & Schmidtbleicher, D. (1995). Frequency Variations of Strength Training Sessions Triggered by the Phases of the Menstrual Cycle. International Journal Of Sports Medicine, 16(08), 545–550. https://doi.org/10.1055/s-2007-973052

[10] Kissow, J., Jacobsen, K. J., Gunnarsson, T. P., Jessen, S. & Hostrup, M. (2022). Effects of Follicular and Luteal Phase-Based Menstrual Cycle Resistance Training on Muscle Strength and Mass. Sports Medicine, 52(12), 2813–2819. https://doi.org/10.1007/s40279-022-01679-y

[11] Sung, E., Han, A., Hinrichs, T., Vorgerd, M., Manchado, C. & Platen, P. (2014). Effects of follicular versus luteal phase-based strength training in young women. SpringerPlus, 3(1). https://doi.org/10.1186/2193-1801-3-668

[12] Pereira, H. M., Larson, R. D. & Bemben, D. A. (2020). Menstrual Cycle Effects on Exercise-Induced Fatigability. Frontiers in Physiology, 11. https://doi.org/10.3389/fphys.2020.00517

 

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Online Fitness Coach, Ernährungsberaterin und Dozentin für Frauengesundheit im Sport. Erfahre mehr über mich.